Joli

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Vom völligen Zusammenbruch zurück ins Leben

Joli

Meine Genesungsgeschichte

Vom völligen Zusammenbruch zurück ins Leben

Im März 2022 bekam ich Corona. Zu diesem Zeitpunkt war ich dreimal geimpft und dachte zunächst, ich würde die Infektion gut überstehen. Ich arbeitete 90 % und war im Endspurt meines Jurastudiums. Noch drei Prüfungen, dann hätte ich meinen Master of Law gehabt. Die Symptome begannen harmlos, eine Art starke Erkältung mit Fieber. Doch das Fieber blieb. Und mit jedem Tag fühlte ich mich erschöpfter, schwächer und kränker. So etwas habe ich bis dahin noch nie in meinem Leben erlebt.

Nach zwei Wochen war klar, dass etwas nicht stimmte. Ich hatte immer noch Fieber, mein Körper fühlte sich an, als würde er nie wieder Kraft finden. Meine Beine versagten nach einigen Schritten, weil ich so schwach war. Nach einigen Wochen ging es zwar leicht bergauf, aber jedes kleine bisschen Aktivität, selbst emotionaler Stress, warf mich sofort wieder zurück und lies mich crashen.

Vier Monate nach der Infektion begann ich mit ultraleichter Physiotherapie im Liegen, in der Hoffnung, meinen Körper wieder aufzubauen. Doch das Gegenteil trat ein. Mein Zustand verschlechterte sich massiv. Jede kleine Überanstrengung löste Fieber und völlige Erschöpfung aus.

Ab Mitte August 2022 ging es stetig bergab. Ende September war ich fast komplett bettlägerig. Ich konnte gerade noch allein zur Toilette, mit Pausen dazwischen. Zähneputzen im Sitzen, das iPhone anzustellen, war zu anstrengend, um sich ein Bild meines Zustands zu machen. Mehr war nicht möglich. Ich war gefangen in einem Körper, der einfach nicht mehr konnte.

Ich hatte unzählige Symptome: Post-Exertional Malaise PEM, Fatigue, Brainfog, ein Jahr lang Fieber, massiven Gewichtsverlust, Akne, Muskelschwund, POTS, neun Monate anhaltenden Durchfall, schlimme PMS, wiederkehrende Pilzinfektionen, schlechte PAP-Abstriche, Gelenkschmerzen, MCAS, starke Migräne, Schlafstörungen und starke Ängste.

In dieser Zeit entdeckte ich das Gupta-Programm, ein Programm zur Regulation des Nervensystems. Im Bett liegend begann ich, mir die Videos anzusehen, meditierte täglich und versuchte, die Ansätze umzusetzen. Das brachte eine erste, zarte Stabilisierung. Ich war weiterhin schwach, konnte wieder in der Wohnung gehen oder meine Eltern, die 3min zu Fuss entfernt wohnen, besuchen. Doch selbst einfache Dinge wie Kochen oder kleine Haushaltsaufgaben blieben unmöglich und an arbeiten war nicht zu denken.

So vergingen eineinhalb Jahre, in denen ich praktisch nur zu Hause war. Dann begann ich das Reactive-Programm (Empfehlung Nummer 1). Auch ein Nervensystemprogramm, aber mit physiotherapeutischer Begleitung. Und das sind Physios, die ME/CFS und Long Covid wirklich kennen und verstehen. Man wird nicht überfordert. Ganz behutsam, Schritt für Schritt. baute ich meine Kondition mit täglichen Spaziergängen auf. Nach ca. sechs Monaten konnte ich wieder 14 000 Schritte gehen, ein riesiger Meilenstein.

Wenn man das hört, denkt man: Dann ist man doch wieder gesund. Aber von wirklicher Gesundheit und Arbeitsfähigkeit war ich noch weit entfernt. Reize, soziale Kontakte oder kognitive sowie emotionale Belastungen überforderten mich weiterhin schnell und ließen mich immer wieder crashen. Ich benötigte zu diesem Zeitpunkt immer noch mehr als fünf Pausen (= aktive Erholung wie z.B. Yoga Nidra, Meditation, autogenes Training etc.) pro Tag, drei davon bis zu einer Stunde.

In dieser Zeit begann ich auch ein Atemcoaching bei Geeta Ghosh (Empfehlung Nummer 2). Diese Arbeit hat mir nicht nur neue Energie geschenkt, sondern auch ein tiefes Verständnis dafür, wie viel Kraft wirklich im Atem liegt. Ich habe gelernt, dass eine gesunde, bewusste Atmung ein weiterer Schlüssel für ein reguliertes Nervensystem ist, und dass Heilung kaum möglich ist, solange ein dysfunktionales Atemmuster besteht. Durch Geetas Begleitung durfte ich Schritt für Schritt wieder in eine natürliche, ruhige und kraftvolle Atmung finden, die meinen Körper und Geist spürbar unterstützte.

Ein erneuter Infekt warf mich dann wieder weit zurück. Ich wusste nicht, woher ich noch die Kraft nehmen sollte, weiterzumachen und mich wieder zurückzukämpfen. In dieser Phase fand ich die CFS School, die heute Somia International heißt (Empfehlung Nummer 3). Das war der Wendepunkt meiner Heilung.

In der CFS School lernte ich, wie ich wirklich tief in die Regulation meines Nervensystems eintauchen konnte. Ich verstand endlich, was ich unbewusst falsch gemacht hatte. Ich hatte versucht, mich herauszukämpfen, statt mich zu regulieren. Ich lernte, mit meinem Körper zu arbeiten, nicht gegen ihn. Ich lernte, dass mein Körper im Survival Mode gefangen war und im Grunde genommen einfach Sicherheit brauchte. Schritt für Schritt kam ich zurück ins Leben, trotz wiederkehrender Crashs, Ängste und Infekte. Auf dem ganzen Weg ab der CFS
School hat mich Athene Knüfer (Phd, @feltsensesomatics), liebevoll und extrem unterstützend mit Mindy-Body Ansätzen begleitet (Empfehlung Nummer 4). Da sie selbst von ME/CFS geheilt ist, war es für mich besonders wertvoll, von jemandem begleitet zu werden, der genau wusste, wie sich dieser Zustand anfühlt. Ihre Erfahrung, ihr Mitgefühl und ihr tiefes Verständnis haben mir auf meinem Weg enorm geholfen.

Die Arbeit mit dem Nervensystem, besonders mit den Emotionen, war der wahre Game Changer. Ich erkannte, wie eng meine Gedanken, mein Körper und meine Gefühle miteinander verbunden sind. Solange mein Nervensystem im Überlebensmodus war, konnte mein Körper nicht wirklich heilen. Erst als sich mein Nervensystem langsam beruhigte und stabilisierte, begann mein Körper zu regenerieren. Mit jeder zunehmenden Regulation fühlte sich mein Körper sicherer, und gleichzeitig wurden auch meine Gedanken klarer, ruhiger und positiver.

Ich schreibe meine Heilung nicht einer einzelnen Therapie zu, sondern der tiefen Arbeit an meinem Nervensystem. Die Regulation über den Mind-Body-Ansatz war der Schlüssel. Meditation, Atemarbeit, Brainretraining, somatische Übungen und das tiefe Verständnis dafür, wie mein Körper auf Sicherheit reagiert, all das hat mich zurück ins Leben geführt. Etwa 80–90 % meiner Genesung verdanke ich der Nervensystemregulation und etwa 10–20 % unterstützenden Maßnahmen wie Nahrungsergänzungsmitteln und Darmaufbau.

Nach neun Monaten starkem Durchfall musste ich meine Darmgesundheit gezielt aufbauen. Ich hatte zudem zahlreiche Mangelerscheinungen, Vitamin D, B-Vitamine, Kupfer, Eisen, Zink, alles war im Keller nach dem langen Fieber, Erschöpfung und Durchfall. Präparate wie Butyrat, Q10 in der aktiven Form Ubiquinol in Kombination mit Selen und andere Nährstoffe haben meinen Körper zusätzlich unterstützt.

Aber ganz ehrlich. Kein Nahrungsergänzungsmittel allein heilt. Es war immer die Kombination. Die tiefe, konstante Arbeit an meinem Nervensystem war das Fundament. Ich habe in dieser Zeit unzählige Therapien ausprobiert, von Infusionen, diversen Medikamenten bis hin zu alternativen Ansätzen. Ich nenne bewusst nicht, was mir nicht geholfen hat, weil sie für andere Menschen durchaus hilfreich sein können.

Was mir zusätzlich sehr geholfen hat, war Hypnose und EMDR, beides unterstützende Maßnahmen, die ebenfalls auf Nervensystemregulation beruhen.

Heute, dreieinhalb Jahre später, bin ich wieder gesund. Ich habe mein Studium erfolgreich abgeschlossen, arbeite wieder, mache Sport, reise, gehe unter Menschen und genieße das Leben. Alles, was ein normaler Mensch so tun kann, kann ich auch wieder tun. Ich bin nicht mehr auf Pausen angewiesen, nehme sie mir aber bewusst, weil sie jedem Menschen guttun.

Meine Heilung war kein schneller Weg. Es war kein „nach einem halben Jahr war alles gut“- Prozess. Es waren drei Jahre intensiver, geduldiger und tiefgreifender Arbeit. Ich bin durch viele Täler gegangen, hatte Rückschritte, Zweifel und Ängste. Aber heute kann ich sagen: Es war es wert.

Ich sehe heute so viel Positives in dieser Zeit. Ich habe mich selbst auf einer tieferen Ebene kennengelernt, mein wahres Selbst wiedergefunden (auch wenn das gerade voll esomässig klingt), gelernt, was mein Körper wirklich braucht und wie viel Kraft in Sanftheit steckt.

Diese Erfahrung hat mein Leben achtsamer, bewusster und liebevoller gemacht.

Heilung von Long Covid, ME/CFS ist möglich, auch wenn sie Zeit braucht. Und manchmal führt sie dich nicht nur zurück ins Leben, sondern in ein glücklicheres und zutiefst zufriedenes Dasein.

Ich hoffe, meine Genesungsgeschichte gibt dir ein Funken Hoffnung.

P.S. Auf dem Foto mein Patenesel Ricci und ich, den ich nun wieder regelmäßig besuchen und ausführen kann!